Studienreise Oktober 2017 Valencia
Wer nach Valencia reist, sieht sich Calatrava an. Die ‚Ciutat de les Arts i les Ciències‘ ist ein aus dem Boden gestampfter Komplex, der die Handschrift Calatravas trägt. Interessant, auch was die Entscheidungsprozesse in der Stadt anbelangt. Bis 4.5.2018 kann hier ein kleiner Beitrag auf Ö1 nachgehört werden: „Valencias korruptes Wahrzeichen? 20 Jahre „Stadt der Künste und Wissenschaften“ im Europajournal vom 27.4.2018„.
Gut: heutige Architektur wird prägend für eine Stadt und interessiert viele Menschen. Nicht so gut: die Bauten sind eher der Spektakelarchitektur zuzuordnen, gefällig, manchmal eitel, teuer, in vielen Bereichen auch funktionsfrei. Feinfühlige Bauten, die nicht so dick auftragen, können da schon einmal übersehen werden, bei so viel Getöse.
Spannend jedenfalls: Die Lage im ehemaligen Flussbetts des Flusses Turia, der in den 1960er Jahren aus Hochwasserschutzgründen in den Süden der Stadt umgeleitet wurde. Die Pläne, im Flußbett eine Stadtautobahn zu bauen, wurden mit dem Ende der Franco-Diktatur begraben. Heute ist der Turia ein grünes Band von 200 Metern breite und 8 (!) Kilometern Länge. Der Freiraum bietet eine Abfolge von Garten- und Parkräumen mit unterschiedlichsten Stimmungen und Freizeitangeboten, ein wunderbarer Stadtpark mit Verbindungsfunktion (Rad- und Fußwege) und auch der Ort für die spektakulären, aber nicht unumstrittenen Bauten Santiago Calatravas und Félix Candela. Gestaltet wurde der Park nach den Plänen von mehreren Planungsbüros, darunter Ricardo Bofill, der 1988 die ersten Bereiche plante. Ein interessantes Projekt der Postmoderne in der Landschaftsarchitektur, an dem bis heute weitergebaut wird. Die baulichen Strukturen der Bereiche aus den 1980er Jahren sind teilweise etwas renovierungsbedürftig, aber die üppige Vegetation gleicht das aus und umfasst alles zu einem großartigen Freiraumgeflecht.
Ein besonders interessantestes Viertel, das auch auf der von unserem Guide Architekt Adrian (für Interessierte, die Valencia besuchen, hier sein Kontakt: https://torresastaburuaga.com/about/) sehr gut geführten Route lag, ist das ehemalige Fischerdorf El Cabanyal, wo sich seit vielen Jahren Auseinandersetzungen unterschiedlicher Interessensgruppen abspielen. Aufwertung und Verslumung liegen hier sehr nahe beieinander.
„Valencia ist Schauplatz einer der längsten Auseinandersetzungen im Konfliktfeld zwischen Stadterneuerung und der Erhaltung historischer Bausubstanz. Um einen großen Boulevard der Stadt, die Avenida de Blasco Ibáñez, bis zum Meer weiter zu bauen, entschied sich die von der Partido Popular gestellte Stadtregierung 1997 für einen Plan, der den Abriss weiter Teile des ehemaligen Fischerdorfs El Cabanyal vorsieht. Seit diesen Jahren wehrt sich einen Initiative aus Anwohnern, Denkmalschützern und Künstlern aus aller Welt gegen die Zerstörung des einmaligen Ensembles des Modernismo, gelegen direkt am Meer. Während die Stadtregierung in diesen Jahren immer wieder Einzelabrisse von Häusern vollziehen konnte, versuchte sich die Initiative „Salvem el Cabanyal“ über Demonstrationen und – letztendlich erfolglose – Klagen bis hin zum obersten Gericht zu wehren. Da der größte Teil der betroffenen Häuser denkmalgeschützt ist, griff schließlich 2010 das damals von den Sozialisten dominierte Kulturministerium in Madrid ein, um die „Plünderung“ dieses schützenswerten Kulturgutes zu verhindern. In der Folge der Immobilienkrise ab 2009 in Spanien wäre ein derart großes Immobilien- und Stadtumbauprojekt ohnehin nur schwer zu realisieren. Die 2015 gewählte linke Stadtregierung hat das Projekt gestoppt.“
Quelle: https://de.wikipedia.org/wiki/Valencia#Der_Kampf_um_El_Cabanyal
Ein paar schöne Fotos der Architektur finden sich auf dieser Seite.
Ein ausführlicher Artikel auf Spanisch über die ‚bloques portuarios‘.
Der Hafen von Valencia wurde mehrmals vergrößert, dabei wurde keine Rücksicht auf bestehende kleinteilige Strukturen genommen und beispielsweise das Dorf Nazaret vom Meer abgeschnitten, sein Strand weggebaggert und eine Mauer errichtet. Mehr auf Spanisch hier dazu.
Sowohl in El Cabanyal als auch in Nazaret erscheint die Wohnsituation eines Teils der Menschen schlecht, sie gibt aber marginalisierte Gruppen die Möglichkeit auf ein Dach über dem Kopf.
Schön und angenehm ist auch der Strand. Am Paseo Neptuno hat sich eine kleine Zeile Hotels und Restaurants erhalten, die in den 1920er Jahren errichtet wurden und sehr charmant und kleinmaßstäblich geblieben sind.





Valencia hat sich als besonders radfreundliche Stadt präsentiert, das Miteinander von FußgängerInnen und Radfahrenden funktioniert gut und ohne viel Aufsehen. Es gibt viel Radinfrastruktur, die teilweise zu gering für das hohe Radverkehrsaufkommen dimensioniert ist.


Ein paar fotografische Eindrücke aus der Stadt

Panorama von 1858 von Alfred Guesdon
Diese Darstellung zeigt gut, dass Valencia nicht am Meer liegt sondern am Fluss Turia.

Diese historischen Pläne habe ich hier gefunden.